ARMIN SCHREIBER
KUNST-PATERNOSTER
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Kunstgeschichte in 19 Tagen
     

Roberto Longhi, Kurze, aber wahre Geschichte der italienischen Malerei. DuMont, Köln, 1996:

24 Jahre alt ist Roberto Longhi und noch Gymnasiallehrer, als er im Sommer 1914 – innerhalb von genau 19 Tagen – das Opus zu Papier bringt: deklariert als Repetitorium für seine vor dem Examen stehenden Schüler. Was sie mitnehmen sollen in ihr Leben im 20. Jahrhundert, sind Merksätze von erstaunlichem Kaliber: Raffael kann man „einfach nicht zu den echten Malern zählen“, Leonardo verliert sich ins „rein Nostalgische und Realistische“, Michelangelos Jüngstes Gericht ist ein „Mißerfolg“.

Das jüngste Gericht, 1536-41 (nach der Restaurierung)

Partiell sind solche intellektuellen Fehlpressungen der reinen Willkür jugendlicher Angriffslust zuzuschreiben, die sich gegen antiquierte Kunstvorstellungen richtet.

Das gilt auch für Longhis Attacke, deren Stoßrichtung  aus einer radikalen Verengung des Kunstbegriffs erwächst. Aber er trifft damit den Nerv seiner Zeit, mehr noch: Er kreiert – Reflexion der Mittel ist alles, der Gegenstand ist nichts – das künstlerische Credo einer ganzen Epoche, das bis hin zu Baselitz wirksam bleibt, der seine Unabhängigkeit vom Gegenstand feiert, indem er ihn auf den Kopf stellt.

 

 

 

 

Drei Faktoren nur noch, nämlich Linie, Form, Farbe und wie sie sich im Bild entfalten, sind

Konstantins Traum

Konstatins Traum, um 1450/56

Fluchtpunkt seiner Kunstgeschichte sind Im- und Nachimpressionismus, ist vor allem Cézanne und dessen Postulat „Traitez la nature par le cylindre, la sphère, le cône….“ Man behandle die Natur gemäß Zylinder, Kugel, Kegel….“ Folgerichtig wird für ihn Piero della Francesca zur überragenden Künstlerpersönlichkeit, Konstantins Traum zu einer der „großen Schöpfungen des italienischen Geistes“. Hier hat er alles beisammen: den kahlen Mast (Zylinder) des kegelförmigen Zeltes und Metallkugeln, die Kopfbedeckungen der Wächter. Hier entfalten die Farbformen ihre großartige Wirkung, stiften, so Longhi, „wahren Kunstgenuß“.

Piero übrigens verfaßte auch ein mathematisches Handbuch für Kaufleute, in dem die gleichen Objekte zum Studium merkantiler Geometrie angeboten werden.

  Erschienen in Konkret 10/1997

     
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