ARMIN SCHREIBER
KUNST-PATERNOSTER
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Chagall in Russland

Joann Sfar, "Chagall in Russland", hier: auf einem Feldweg bei Witebsk


Egon Schiele in -aktion

Egon Schiele in Aktion


Munch, Seite 52

Edward Munch: "Dachte nichts mehr."


Munch uns Strindberg S. 35

Komplizierte Freundschaft: Edvard Munch und August Strindberg


Hannah Höch und Kurt Schwitters, S. 22


Hannah Höch und Kurt Switters


White Cube, Handlungsvorschlag Nr. 1

Handlungsvorschläge aus "White Cube"
 

20. November 1978: Snoopy, zur Peanuts-Family gehörender Haushund mit erkennbarem Hang zum Philosophieren, sinniert über Christos Valley Curtain und Running Fence. Und während sein Gedankengang gerade die Wrapped Walkways in Kansas City erreicht, überfällt ihn die Frage, was der Künstler wohl als Nächstes machen wird. Kurzer Sprint nach rechts und die Antwort steht vor ihm: Seine Hundehütte – verpackt! 25 Jahre später übrigens erwidert Christo den kollegialen Gruß, wickelt Snoopys Behausung ein und übergibt sie dem Charles M. Schulz Museum in Santa Rosa, Kalifornien.


Charles M. Schulz, "Snoopys Hundehütte"

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Christo, "Wrapped Snoppy Doghouse"

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Während die Cartoonisten, Wegbereiter der 9. Muse im 19. Jahrhundert, den Kunstbetrieb von Beginn an im Blick hatten, Künstler wie Gustave Courbet, Edouard Manet, auch die Überflutung der Salons durch Landschaftsmalerei aufs Korn nahmen, hat die Kunst beim frühen Comic kaum Spuren hinterlassen. Fündig wird man erst in Entenhausen. Den Recherchen des Donaldisten Josef Spiegel zufolge müssen die Ducks extrem kunstsinnige Zeitgenossen gewesen sein! Okay, Onkel Dagobert malte sich – mit Blick auf Andy Warhols Siebdruck Dollar sign (1981) – sein „Dollar-Zeichen“ selbst, ansonsten aber hängt dort die Crème de la Crème an den Wänden. Die allseits bekannte Mona, hier im Schaukelstuhl sitzend und von Leonardo da Pinsli, einem Neffen des großen Meisters gemalt, ist ebenso vertreten wie Vincent van Dogh, Friedel Fricasso oder Otto Ducks, dessen „Schwarzes Quadrat ohne weißen Grund“ über Donald Ducks Fernseher hängt.

Was den aktuellen von der 9. Muse inspirierten Output betrifft, da muß man nach „Kunst“  nicht lange suchen, denn unter den Neuerscheinungen 2013  sind die Maler-Biographien kaum zu übersehen. Eine Initiative der Verlage, um per “bedeutendes“ Sujet dem Markenzeichen „Graphic Novel“ die Aura des Besonderen zu erhalten? Sicherlich auch. Vermutlich aber kommt der Impuls eher von den Zeichnern: Einen Künstler zu porträtieren, der sich – wie sie selbst – per Pinsel und Farbe artikuliert, dürfte bei ihnen den Adrenalin-Spiegel  anheben.

In der bei Willi Blöß erscheinenden Reihe Künstler-Biografien (32 Seiten im Postkartenformat, 3 Euro!) werden auch Zeitgenossen wie Klaus Staeck oder David Hockney vorgestellt. Ansonsten dominiert die klassische Moderne: Edvard Munch, Pablo Picasso, Kurt Schwitters, Marc Chagall, Egon Schiele. Und wer es noch nicht weiß, lernt dies auf jeden Fall: Die Libido hat den Aufbruch der Künstler in die neue Epoche durchaus befördert.

Interessanter ist ein anderer Aspekt. Sichtbar nämlich wird ein Qualitätssprung, den offensichtlich Picasso und Co. bei den Zeichnern ausgelöst haben. Während Joann Sfar die Nähe zur Kunst des Porträtierten primär über die Einbindung der Chagallschen Motive herstellt, greift Xavier Coste (Egon Schiele, Knesebeck Verlag) formale Elemente auf und bringt den Kontrast von Schieles dandyhafter Erscheinung und innerer Verfassung mittels diskret adaptierter Linienführung zum Ausdruck.

Steffen Kverneland (Munch, avant-verlag) agiert virtuos mit expressionistisch-kubistischem Formenrepertoire. Er folgt damit dem Credo seines Protagonisten, nicht zu malen, was man gerade sieht, sondern was man wahrgenommen hat und bringt so die Gestimmtheit der Akteure ans Licht: Inszeniert mit bildnerischer Komik, so dass auf jeder Seite neue grafische Sensationen auftauchen.

Das gilt ebenso für die Kurt-Schwitters-Biografie (Herr Merz, avant-verlag) von Lars Fiske. Seine grotesken, höchst unterhaltsamen Zeichnungen entfalten einen fast schon genial zu nennenden Einfall: Aus den konstruktivistischen Materialcollagen des „Herrn Merz“ extrahiert er Gestaltungselemente, witzige visuelle Abkürzungen, die Freund und Feind in ihre Obhut nehmen. Hannah Höch mutiert zur charaktervollen Vogelscheuche, Gestik und Mimik der Dada-Gegner wirken, als seien die Herren mittels rudimentärer Roboter-Programmierung animiert.

Fiskes und Kvernelands Sicht auf ihre Heroen ist nicht heroisch. Auch Brecht Evens (Die Amateure, Reprodukt) und Brecht Vandenbroucke (White Cube, avant-verlag) verzichten bei ihrer Inspektion des Kunstbetriebs auf jedweden Kotau. Evens schickt seine Leser ins Flandrische hinter die Kulissen der  Beerpoeler Biennale, wo sie den (vielsagenden) Kunstgesprächen der dörflichen Avantgarde folgen und feststellen können, dass sie einige der Sätze durchaus schon ´mal (auf der letzten Documenta?) gehört haben. Vandenbroucke lässt glatzköpfige Zwillinge – männliche Gegenstücke zu „Eva & Adele“ mit einem Schuß Meister Propper – in Modern-Art-Ausstellungen all das tatsächlich tun, was man als Besucher zu 99 % nur im Kopf abwickelt: Umhängen, abhängen, korrigieren. White Cube, ein Museumsführer, der es in sich hat!


Erschienen in der Kunstzeitung 12/2013  

     
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