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| Bélapátfalva, Heves, Ungarn | ||
|  Klosterkirche Bélapátfalva, (Foto 2008) 
		Während von den anderen Gebäudeteilen des vergleichsweise kleinen 
		Klosters Bélapátfalva nur noch Grundmauern zu sehen sind, ist die 
		Basilika, die einzige in Ungarn noch erhaltene Abteikirche der 
		Zisterzienser, relativ unbeschädigt.  Begonnen wurde der Bau im romanischen Stil, und zwar unmittelbar nach der Gründung durch den Bischof vonEger Kilit II. (1232). Infolge des Mongoleneinfalls (1241) mußte man die Bautätig- keit unterbrechen, konnte die Arbeiten aber kurz darauf fortsetzen: jetzt – wie sich an der Rosette unterhalb des Giebels zeigt – in frühgotischer Ausrichtung. Wenn auch Bélapátfalva im Verlauf seiner 
		Geschichte diverse Ups and Downs zu verkraften hatte – 1356 bewohnten 
		nur noch ein Abt und zwei Mönche das Kloster –, so blieb die Kirche bis 
		Ende des 16. Jahrhunderts doch weitgehend intakt. Während des „Langen 
		Türkenkrieges“ (1593- 1606) allerdings verfiel das Klosterareal, 
		partiell auch die Basilika.  Im 18.Jahrhundert wurde sie renoviert; ihr 
		heutiger Zustand geht auf Restaurierungen 
		 zwischen 1953 und 1956 zurück. 
		 Westfassade (Foto 2016) Schwering – mit einem Augenzwinkern gesagt – 
		folgt dieser Tradition: Der von ihm gewählte Ausschnitt der Westseite 
		entspricht nämlich, was den baulichen Zustand betrifft, nicht den realen 
		Gegebenheiten vor Ort. Vielmehr wurden Teile der polychromen 
		Streifengestaltung an den Halbpfeilern am linken und rechten Bildrand, 
		das plastische Dekor der Kapitelle wie auch die abgewetzten 
		Treppenstufen am Eingang von ihm bestens „restauriert“, so daß die 
		Fassade mit ihrer rot-weißen Bänderung, die auch auf die Säulenbündel 
		des zentral liegenden Trichterportals übergreift, in ihrer vermutlich 
		ursprünglichen einfachen Schönheit höchst wirksam in Erscheinung tritt. 
		Und die folgende Frage gleichsam mitliefert: Wie kommen diese Streifen, 
		denen die meisten Touristen erstmals in Italien begegnen, nach Bélapátfalva? Interessant ist, daß sie vorher bereits, also Ende des 12. und im ersten Drittel des13. Jahrhunderts, bei anderen sakralen und profanen Gebäuden Ungarns auftauchen, mitgebracht tatsächlich von italieni- ischen Baumeistern und Handwerkern, die 
		
		 Abteikirche Wachock in Polen (Foto 2006) zunächst (um 1200) an königlichen Aufträgen in Esztergom (Kathedrale) und Óbuda (Königspalast) gearbeitet haben. Zu den Vorbildern rechnet man auch die zisterziensische Abteikirche Wachock in Polen. Deren Fassadengestaltung aus gelben und roten Sandsteinquadern bezeichnet Jan Długosz (1415 -1480), Historiker und Domherr in Krakau, alsopus italicum.1 So verwundert es nicht, unter den im 11. und 12. 
		Jahrhundert entstandenen Kirchen und Kathedralen Nord- und 
		Mittelitaliens auf jene polychrome Bänderung zu stoßen. Überraschend aber ist, daß sie – folgt man den gängigen Befunden – erstmals in 
		Pisa auftritt.   In dem Zusammenhang spielt die Jahreszahl 1063 
		eine wichtige Rolle. Kurz darauf nämlich begann man mit dem Bau des 
		Domes, und das Vorhaben scheint trotz seiner für die damalige Zeit 
		grandiosen Ausmaße (96 m lang, 28 m breit) zügig vorangekommen zu sein, 
		wobei die Fassade aus Carrara-Marmor erst im 12. Jahrhundert angebracht 
		wurde. 
		 Pisa: Dom und Schiefer Turm War der Wohlstand über die Stadt hereingebro- chen? 1063, in der Seeschlacht vor Palermo, hatte man die bis 
		dahin dominierenden Sarazenen besiegt. Dabei fielen, wie einer Inschrift 
		an der Fassade zu entnehmen ist, „sechs große mit Schätzen reich 
		beladene Schiffe in ihre Hände; mit dem Erlös“, so heißt es weiter, „ist 
		dieser Bau errichtet worden.“ Und er galt einige Jahrhunderte lang als
		der Monumentalbau christlicher 
		Architekturgeschichte.  Warum aber diese exorbitante Größe? Ein 
		kollektiver Akt der Buße nach der „wilden“ Seeschlacht? Das scheidet als 
		Motiv aus, denn 1063 hatte Papst Alexander II. allen christlichen 
		Soldaten, die am Kampf gegen die Sarazenen beteiligt waren, den sog. 
		Plenarablaß, die Vergebung sämtlicher Sünden gewährt. Primär ging es 
		wohl darum, via Architektur das durch den Seesieg von Palermo stark 
		gewachsene Selbstwertgefühl der Stadt zum Ausdruck zu bringen: eine 
		Großgeste, in der sich auch der prosperierende internationale Einfluß 
		Pisas manifestieren sollte.  Hier kommen die Streifen ins Spiel! Die 
		Fassaden- gestaltung des Domes nämlich weist neben anderen Zierelementen 
		(Loggien, Blendarkaden) auch farbige Bänderungen auf, für die es 
		Vorbilder in Pisas nach 1063 erweiterten Machtbereich gibt: an sakralen 
		Gebäuden byzantinischen und islamischen Stils im östlichen 
		Mittelmeerraum.  Ausgehend also von Santa Maria Assunta, dem Dom 
		von Pisa, begann – so Mary McCarthy in ihrem Buch
		Florenz – der Siegeszug der „getigerten“ Architektur. Zeugnisse 
		dieser Expan- sion sind noch heute zu besichtigen: auf Sardinien z.B., in 
		Siena, Lucca, Voltera, Genua, am Comer See und in Verona, aber eben auch 
		in Frankreich die Kathedralen von Le Puy-en-Velay, Gap, Perigueux und 
		Embrun. 
		 Fassade der Kathedrale von Le-Puy-en-Velay (Foto 2002) Wie also – noch einmal – kommen die Streifen 
		nach Bélapátfa? 1172 wurde Béla III. König von Ungarn. Durch seine 
		Heirat mit Anna Chátillon, Tochter des Kreuzritters Raynaldus de 
		Castellione (und zeitweiligen Herrschers von Antiochia), ergaben sich 
		Beziehungen zu Frankreich, die ihren Niederschlag in ersten Gründungen 
		von Zisterzienserklöstern fanden.  
		 Bela III (Lithographie nach einer Zeichnung von Moritz v. Schwind (1828) 
 
		 
		 
 
		 
		   
		 |  Bernd Schwering, Bélapátfalva, 40 x 40 cm, 2012 Anna starb 1183 im Alter von 24 Jahren. Nach 
		ihrem Tod reiste eine hochrangige Delegation des Ordens (u.a. der Abt 
		von Cîteaux) an den ungari- schen Hof. Verhandelt wurde erstens über die 
		Errichtung weiterer Abteien durch die Krone. So entstand 1184, besiedelt 
		durch das mit Clairvaux verbundene Acey, das bedeutende Kloster Pilis, 
		das wiederum zwei Ableger, 1190 Pásztó und 1232 Bélapátfalva 
		hervorbrachte, gestiftet (s.o.) von Kilit II., der zuvor als Kanzler 
		Bélas III. fungierte: Man kann, kurzum, davon ausgehen, daß u.a. auch 
		architektonische Vorstellungen zur Fassadengesal- tung über diese 
		Filiationslinien der Zisterzienser von Frankreich nach Ungarn gelangten. Verhandelt wurde ad zwei über eine neue Eheschließung des Herrschers mit Marguerite Capet, der Tochter des französischen Königs Ludwig VII., deren Mann Heinrich der Jüngere, Mitkönig von England (verheiratet wurde sie mit ihm im Alter von 2 Jahren) 1183 an Ruhr verstorben war. Die Hochzeit mit Marguerite erfolgte 1186. Als Gemahlin Bélas konnte sie, was die Gestaltung gerade auch der kirchlichen Bauvorhaben der Krone betraf, unmittelbar eingreifen. Sie „brachte nicht nur die modernsten Formen der Architektur der Protorenaissance, sondern wohl auch die qualifiziertesten Architekten und Bildhauer Frankreichs, darunter Villard de Honnecourt, nach Ungarn.“2 Will sagen, daß offensichtlich auch dynastische Verbindungen zwischen Frankreich und Ungarn der Kommunikation in Sachen Architektur in starkem Maße förderlich waren. Angesichts der im 12. und 13. Jahrhundert 
		errichteten Streifen-Fassaden, die nach meiner Übersicht bis auf eine 
		Ausnahme (Palazzo Broletto in Como) allesamt an Kathedralen und 
		Klosterkirchen in Erscheinung treten, ergibt sich die Frage, ob hier 
		nicht, selbst wenn die Pisaner Entstehungsgeschichte eher auf politische 
		Ambitionen verweist, doch auch religiöse Vorstellungen zum Ausdruck 
		kommen. Folgt man Mary McCarthy, muß die Antwort nein lauten. Sie 
		verweist auf die toskanische „Schachbrettpolitik“ im Mittelalter, auf 
		die Tatsache, daß die nächste und mächtigste Nachbarstadt stets der 
		natürliche Feind gewesen sei; erinnert an die Spaltung in Schwarz und 
		Weiß, in Guelfen und Chibellinen, sieht also in der „getigerten 
		Architektur“ die Spiegelung einer eher weltlichen Disposition.  
		 Palazzo Broletto in Como (Foto 2010) Andererseits gilt – spätestens seit den Manichäern – in Europa und den Ländern des vorderen Orients die Farbstellung „weiß/schwarz“ als weithin be- und anerkanntes Symbol für konträre Gegebenheiten, steht z.B. für Tag und Nacht, Licht und Finsternis, gut und böse und, last not least, für Himmel und Hölle: ein Sinnbild, für dessen Verwendung die zeitgenössische Literatur ein anschauliches Beispiel bereithält. 
		Wolfram von 
		Eschenbachs berühmter Versroman 
		Parzival (um 
		
		1200) beginnt mit 
		dem sog. Elsterngleichnis, einer allgemein gehaltenen Beschreibung des 
		elsternfarbenen Typs, „der, obwohl er Anteil an der Hölle hat, glücklich 
		sein kann, da er in gleicher Weise Anteil am Himmel hat.“ Genauer: „der 
		mac dennoch wesen geil: wand an im sint beidiu teil, des himels und der 
		helle.“ In einem späteren Kapitel tritt ein 
		Elsternfarbiger konkret in Erscheinung: Es handelt sich um Feirefiz, 
		Parzivals Halbbruder, den sein Vater Gahmuret während einer Orient-Fahrt 
		mit der Mohrenkönigin Belacane von Zazamanc gezeugt hatte und der als 
		schwarz-weiß geschecktes Kind zur Welt kommt („der zweier varwe was“). 
		Und später, anläßlich der Heimkehr ins Land seines Vaters, wegen dieser 
		Musterung auffällig wird. Im weiteren Verlauf der Erzählung verliebt er 
		sich in die Gralshüterin Repanse de Schoye (aus dem Altfranzösischen: 
		„Bringerin der Freude“), die er jedoch ohne Taufe nicht heiraten darf. 
		Auf seine Frage, ob man – mittelhochdeutscher 
		Humor! – die Taufe erkämpfen könne, wird er von Parzival 
		sachgerecht informiert und schließlich durch einen alten Priester 
		getauft, was er, einzig Repanse im Kopf, über sich ergehen läßt. 
		Folgenlos aber bleibt der Akt keineswegs, denn „mit dem wazzer man 
		gesiht“, d.h., wird man sehend im eigentlichen, also höheren und 
		spirituellen Sinn. Konsequenz: Getauft und verheiratet mit der 
		Gralsträgerin Repanse de Schoye zieht er nach Indien und verbreitet dort 
		das Christentum. Mit diesen Fakten und Fiktionen zur 
		Streifen- bzw. Schwarz/Weiß-Thematik im Kulturbeutel, zurück nach 
		Bélapátfalva und Schwerings Gemälde!  Natürlich bestimmt die zweifarbige Bänderung der 
		Fassade den ersten Eindruck, aber der Anschein des Flächigen 
		verschwindet in Sekundenbruchteilen: ein offenbar kalkulierter Effekt, 
		der im Bildaufbau angelegt ist. Der Fassadensockel nämlich liegt nicht 
		am unteren Rand des Gemäldes, sondern am oberen Ende des vorgelagerten 
		Hofes. Und wie bei Paolo Uccellos 
		Jagd im Wald  Menschen und 
		Tiere der „süßen Perspektive“ dienen, d.h., die Weite des Areals 
		veranschaulichen und spürbar machen, so wächst bei Schwering das Gras 
		zwischen den Steinen des Vorplatzes auf eine Fluchtpunktzone zwischen 
		dem Gestühl innerhalb der Kirche zu mit der Folge, daß der gesamte 
		Bereich – wichtig ist der Einblick über die Bankreihen hinweg zum Altar 
		– als geistiger Raum erlebbar wird, wobei sich diese Wahrnehmung durch
		ein Detail, die stark 
		plastische Gestaltung des Trichterportals einschließlich der aus 
		Akanthusblättern (Symbol für Unsterblichkeit) geformten Kapitelle, 
		nochmals verdeutlicht.   Ein großer Teil der inhaltlichen Schwerpunkte 
		des Motivs „Bélapátfalva“ kommt über die Wirkung der Lichtreflexe auf 
		der Fassade zum Vorschein. Abgesehen davon, daß sie den Raum davor der 
		Natur näherbringen (die Nachmittagssonne fällt durch belaubte Bäume 
		außerhalb des Bildes!), vermittelt sich über die diffuse Beleuchtung 
		einzelner Bereiche eine pulsierende Bewegung auf der Wand und gibt der 
		artifiziellen Statuarik des Streifendekors einen Touch ins Lebendige. 
		Zudem wird die mit der polychromen Bänderung vorgegebene hermetische 
		Gegensätzlichkeit von hell und dunkel – im übertragenen Sinne von gut 
		und böse – durch den Lichteinfall partiell angelöst, ja, überstrahlt. 
		Schlußendlich bildet sich über die leichte Auflichtung ein 
		Helligkeitskontrast zwischen Fassade und Innenraum, so daß der Altar, 
		postiert im Dunklen am Ende der Sichtachse und durch das schwache Licht 
		der rückwärtigen Fenster mit dezentem Schimmer versehen, als das 
		mystische Zentrum der Kirche auf exponierte Weise (und nicht zufällig in 
		der Fluchtpunktzone liegend) in Erscheinung tritt. Kurz gesagt und an 
		erster Stelle zu nennen: Ein differenziertes, einfühlsames Porträt der 
		Klosterkirche von Bélapátfalva! Gleichzeitig aber läßt sich Schwerings Gemälde 
		auch als die Inszenierung einer architektonischen Widerspiegelung des 
		mentalen Wandels um 1200 sehen, eines Umbruchs, der nicht nur 
		ökonomisch-soziale Veränderungen zur Folge hatte, sondern auch – und das 
		steht hier im Vordergrund – im religiösen Bereich zu wesentlichen 
		Korrekturen führte. So könnte man im Spiel der Lichtreflexe einen 
		Verweis auf die in jener Zeit allenthalben spürbare Abschwächung der 
		geistlichen Rigidität sehen. (Bernhards Attacken gegen die Katharer, die 
		„Manichäer der heutigen Zeit“, „die die dualistische Irrlehre unter dem 
		Volk verbreiten“, gehören in diesen Kontext.) Und auch für die 
		Entscheidung, den Altar in den Mittelpunkt des Bildes zu stellen, ließe 
		sich ein Anknüpfungspunkt ausmachen: in Bernhards von Clairvaux vierter 
		Predigt zur Karwoche etwa, in der er – Stichwort 
		„compassio“ – eine forcierte Einfühlung in die Leidensgeschichte 
		Christi anmahnt und damit die Liturgie der Sakramente auf neue Weise in 
		den Blick nimmt. Aber eigentlich führt die Vokabel „Verweis“ in 
		die 
		Irre, denn solcher Art Fakten haben bei der Planung des Bildes, an 
		deren Ausganspunkt allein die sensuelle Überzeugungskraft
		des Motivs steht, allenfalls 
		unterschwellig mitgewirkt. Was zu der Frage führt, ob die Präsenz der 
		zwei Hauptmotive in Schwerings Bild, also die Streifen-Thematik und die 
		Exponierung des Altars und deren modifizierte Anwesenheit im
		Parzival (Elsterngleichnis und 
		Gral) auf Zufall beruht oder ästhetischer 
		Wahrnehmung und künstlerischer Intuition zuzuschreiben ist? Die Antwort 
		könnte – frei nach Dürer – so lauten: Der Zeitgeist des Umbruchs nistet 
		im Gemäuer der Klosterkirche von Bélapátfalva, wer ihn heraus kann 
		reißen, der hat ihn! __________________________________________ 
 
 
				
				
				
				1 
				Matthias Untermann: Forma Ordinis. Die mittelalterliche Baukunst 
				der Zisterzienser, Berlin 2001, S.112
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