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| Andreas Orosz: Das Prinzip Stilleben | ||
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		 "Bacchanal", 1982 Wenn man, meine Damen und Herren, in der Biographie des Malers Andreas Orosz den Zeitpunkt festlegen sollte, wo sich die konstituierenden Elemente seiner Arbeit erstmals zeigen, a) das „Prinzip Stilleben“, b) die „subkulturelle Sicht“ und c) das Moment der Ambivalenz, dann müßte man das Jahr 1982 nennen. 1982 nämlich, als 22-jähriger Kunststudent der Universität Mainz, malt Andreas Orosz, inspiriert von Jacob Jordaens und leibhaftig unterstützt von Freunden, die Modell stehen, ein großformatiges Ölbild mit dem Titel „Bacchanal“. 
		  Jacob  Jordaens, "Fest des 
		Bohnenkönigs", 1640/45 
		 Bacchanal, Ausschnitt Zwei Gläser, eine Flasche: Hier sitzt sie, die – wenn man so will – 
		Keimzelle jener „Haushaltslandschaften“, der vollgestellten 
		Nirosta-Spülen, der vergessenen Frühstücksreste, der übersehenen 
		Kellerecken etc., denen sich Andreas Orosz in der Folge zuwendet. 
		 "Guten Morgen",. 
		1983 
		 "Wirsing", 1990 Diese dritte Phase seiner künstlerischen Entwicklung beginnt etwa 1989 
		und wird eigeleitet durch einen – für Andreas Orosz als 
		Quasi-Stilleben-Maler – durchaus bemerkenswerten Schritt: Er begibt sich 
		außer Haus! Sein Blick erfaßt nun auch Gegenstände und Gegebenheiten 
		außerhalb seiner privaten Sphäre. Und hier sind es offensichtlich 
		jeweils zwei, drei auffällige, Verfremdung stiftende Details, die das 
		nachhaltige Interesse des Künstlers an einer Garage z.B., an dem Blumen- 
		und Gemischtwarenladen auslösten. In den Bildern tauchen diese Details, 
		deutlicher akzentuiert, wieder auf: als Blickfang, als Attraktion im 
		wortwörtlichen Sinne! "Garage", 1990 In „Blumenladen“ sind es die drapierte, türkisen aufleuchtende Samtverkleidung des mit Töpfen, Vasen, dem Tesafilm-Spender und kleinen Sträußen bestückten Verkaufstisches sowie die zu beiden Seiten des Durchgangs befestigten bengalisch bunten Rollen aufgespulter Kunststoffbänder. | 
		 "Spätsommerstrauß",1992 In „Garage“ (1990) lösen diesen Effekt ein „romanisch“, besser, „römisch“ gewölbter Werkstattraum und ein graues Metallregal an der hinteren Wand aus, das mit gelben, roten, blauen Spraydosen vollgestellt ist. Schräg von oben eifallendes Streiflicht einer Neonröhre erhöht die Farbwirkung. Zugleich treten Büchsen und Flaschen, da nur deren Vorderseite vom Licht erfaßt wird, die Zwischenräume aber schwarz bleiben, in ihrer Dinghaftigkeit deutlicher hervor. 
		 "Blumenladen", 1992 
		 "Säkularisierter Marien-Altar": Detail aus "Blumenladen" Das Spraydosen-Tabernakel in „Garage“, der 
		säkularisierte Marienaltar des „Blumenladens“, die raumsprengende 
		Spiegelung des Gemischtwarenladens („Cassa parlante“): sie verändern die 
		Atmosphäre der jeweiligen Örtlichkeit. Für einen Moment, und der ist im 
		Bild fixiert,  verflüchtigt sich 
		der Begriff „Massenware“. Der Nutzwert der Gegenstände gerät in 
		Vergessenheit. Die Situation und mit ihr die Geräte, Blumentöpfe, 
		Kaffeetüten erhalten ein besonderes Gepräge, ästhetische Eindruckskraft. 
		Sie werden zum Ereignis! Nichts Pittoreskes haftet diesem Ereignis an, 
		nichts Idyllisches! Es präsentiert sich zeitgenössisch, besteht – 
		unübersehbar ist der schrottreife Entlüftungskasten über dem 
		„Marienaltar“ des Floristen – auf Ambivalenz und bringt vielleicht 
		gerade deshalb die andere, durch Maß und Zahl nicht darstellbare 
		Dimension der Dinge, auch ihre Schönheit, glaubwürdig zum Ausdruck. In dem Zusammenhang möchte ich noch einmal auf den 
		Einfluß der „unbekannten Helfer“ zurückkommen: Auch hier liegen das 
		Arrangement der Gegenstände, desgleichen die Installationen zur 
		Umwandlung der alltäglichen – in eine sonntägliche Situation in Händen 
		dieser „anonymen Mitarbeiter“ und damit, ästhetisch gesehen, Im 
		Vorstellungsbereich dessen, was die Besitzer des Blumenladens, der 
		Autowerkstatt für das Gute, Schöne, Richtige hakten. Wichtiger 
		Bestandteil dieser Ästhetik ist der Sachzwang, auf engstem Raum – wie in 
		„Cassa parlante“ z.B. – möglichst viel zu präsentieren, was nach Maßgabe 
		kunstakademischer Konvention, da nicht nach Farben und Formen, sondern 
		nach Wasch- und Lebensmitteln sortiert wird, zu blödsinnigen Reihungen, 
		Ballungen, Rhythmen etc. führt, denen aber eine frische, unverbrauchte, 
		durch tradierte Kompositionsschemata nicht abgenutzte Ausdruckskraft 
		innewohnt. Unter pragmatischen Gesichtspunkten erfolgt auch 
		die farbliche Gestaltung und Ausleuchtung der jeweiligen Räumlichkeiten. 
		Die Neoröhren auf pflegeleichtem Fond der „Garage“ z.B.: Sie sind 
		praktisch, sparsam; sie sind montiert, wo sie benötigt werden. Sie 
		sorgen – da sie ein Chiaroscuro, das bestimmte Objekte in den Schatten, 
		andere in die Helligkeit stellt und zu einer Hierarchie unter den 
		Gegenständen führen würde, nicht zulassen – für Lichtverhältnisse, die 
		dem tradiertem Kunstblick zufolge gar keine sind: Aber in Verbindung mit 
		den punktuell wirkenden Objekt-Steigerungs-Strategien aus dem sakralen 
		Bereich führen diese – man könnte sagten: subkulturellen Mittel (vom 
		Künstler erkannt und verstärkt) zu intensiverer Wahrnehmung Ästimierung 
		der Dinge. 
		 
		 Wie und wo, meine Damen und Herren, die eingangs 
		erwähnten konstituierenden Elemente der Oroszschen Arbeit, das „Prinzip 
		Stilleben“, die subkulturelle Sicht, repräsentiert durch jene anonymen 
		Mitarbneiter und drittens das Moment der Ambivalenz, u.a. ausgedrückt im 
		Zusammenspiel von Komik und Feierlichkeit, auch im Portrait der Stadt 
		Pitigliano ästhetisch für Furore sorgen, darüber kann ich hier nicht näher 
		eingehen, weil ich die Zeit für den Schlußbogen benötige: Wie läßt sich 
		das, was Andreas Orosz via Bild zum Ausdruck bringt, verstehen und 
		einordnen?  Durch die veränderten Produktionsformen 
		industrieller und landwirtschaftlicher Güter hat sich unser Bewußtsein 
		von den Dingen nachhaltig verändert. Mit dem weitgehenden Wegfall der 
		Handarbeit zugunsten des Einsatzes „seelenloser Maschinen“ verloren die 
		Gegenstände die Aura des Besonderen, den Status eines von Geist, Gefühl, 
		formender Kraft ihres Herstellers geprägten Dinges. Sie besaßen nicht 
		mehr, was ein Maler wie Chardin noch erspüren und sichtbar machen 
		konnte: „Das geheime, den scheinbar toten Gegenständen innewohnende 
		Leben“. Nicht nur, aber auch deshalb, schwand das Interesse 
		der Künstler an der Erscheinung der Dinge. Andere, aus damaliger Sicht 
		brisantere Phänomene wie etwa die Beschleunigung nahezu sämtlicher 
		Lebensvorgänge, traten in den Vordergrund. Zwar gab es immer wieder 
		Künstler – neben den Futuristen z.B. Bacon, Filonow, Velickovic oder 
		Duchamps („Akt, die Treppe herabschreitend“) –, die Bewegung figürlich 
		darstellten. Die generelle Tendenz jedoch, repräsentiert durch die 
		verschiedenen Avantgarden, ging dahin, die den technischen Fortschritt 
		prägenden Faktoren, allen voran das „Tempo der Zeit“ gegenstandslos – 
		netto  sozusagen – 
		auszudrücken. Lange bevor – 50 Jahre sind es wenigstens – das Wort von 
		der „Wegwerfgesellschaft“ die Runde machte, wurden die Gegenstände von 
		der Kunst, Sektion Malerei, verworfen! 
		 Konditor als Künstler: "Himbeere II", 2015 Andreas Orosz gehört zu den wenigen Künstlern – einige von ihnen waren hier in der mittlerweile schon legendären Mops-Ausstellung („Den Mops verdoppeln…“, 1991) –, die das entstandene Vakuum spüren und reagieren. Auf seine Weise, in Form neuer Stilleben, Interieurs und Stadtlandschadften holt er die Gegenstände in die Malerei Zurück: mit scheinbarer Leichtigkeit und formaler Disziplin; mit Phantasie und mit einer Präzision, die von Entdeckerlust und Zuneigung inspiriert ist. Seine Bilder besitzen – als geistige Untermalung sozusagen – eine spezifische Grundstimmung, die man am ehesten mit Begriffen wie „Frische“ oder „Heiterkeit“ umschreiben könnte. Und die sich entfalten kann, weil keiner der langjährig gepflegten Topoi gegenständlicher Malerei hier noch bedient wird. Nichts mehr zu spüren ist vom ideologischen Service der „Kritischen Realisten“, verschwunden sind die Huldigungen an Fragment und Deformation, erledigt wie das Zeremoniell des Infragestellens hat sich die Auseinandersetzung mit den „Abstrakten“ und der Zwang zur Verteidigung der Gegenstände. Orosz´ Arbeiten liefern keine Apologie der Dinge, 
		sondern erweisen ihnen Reverenz; sie versuchen – in ihrer Mischung aus 
		Feier- und Alltäglichkeit – dem Rätsel ihrer vielfältigen Wirkung 
		nachzuspüren.         
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